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Wie schreibe ich meine Thesis?

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13. Hypothese und Nullhypothese

Im Zusammenhang mit akademischen Arbeiten wie Bacc-, Masterarbeiten oder auch Dissertationen fallen immer wieder die Begriffe ›Hypothese‹ und ›Nullhypothese‹, doch wird selten erklärt, was sie eigentlich bedeuten. Als routinierter IT-Benutzer befragt man also die Wikipedia und erfährt folgendes:

»Eine Hypothese (von altgr. ὑπόθεσις ypóthesis → spätlat. hypothesis, wörtlich: ‚Unterstellung') ist eine in Form einer Annahme formulierte logische Aussage, deren Gültigkeit man zwar für möglich hält, die aber (ggf. noch) nicht bewiesen bzw. verifiziert ist, die sich allerdings grundsätzlich beweisen oder verifizieren ließe oder eventuell auch widerlegt werden könnte. Bei der Formulierung einer Hypothese ist es üblich, die Bedingung/en anzugeben, unter der bzw. denen sie gültig sein soll/en.«

Dem ist grundsätzlich nichts entgegen zu halten, aber hilft es wirklich weiter? Bitte korrigiert mich, wenn ich falsch liege, aber ich vermute, dass wir eine etwas verschwommene Vorstellung davon haben, was eine Hypothese eigentlich ist, und dass die Erwartung bestehe, dass der Bacc-Arbeit eine zugrunde liegt. Also presst man sich halt eine aus dem Kopf, aber so richtig Klarheit, wozu sie eigentlich dient, und inwiefern sie die Arbeit voran bringen kann, herrscht nicht.

Dabei kann die Hypothese im Zusammenspiel mit der Forschungsfrage, sehr hilfreich sein, indem sie die Arbeit definiert. Am hilfreichsten finde ich dabei wieder einen Tipp, den ich von meinem eigenen Betreuer bekommen habe*):

Betrachte die Hypothese als eine angenommene und zu zeigende Antwort auf die Forschungsfrage.

Hypothese und Forschungsfrage sind also im Optimalfall nichts anderes als zwei Seiten derselben Medaille: Hat man eine gute Forschungsfrage, so ergibt sich die Hypothese praktisch von selbst, hat man eine gute Hypothese, sollte es leicht möglich sein, eine - besser: die - Forschungsfrage daraus abzuleiten. Das kann man eigentlich nach Belieben in beide Richtungen entwickeln; in der Praxis ist das oft ein Ping-Pong-Spiel zwischen den beiden.

Kommen wir zurück auf das Beispiel mit dem Gefieder des Tukan: Passend zur gestellten Forschungsfrage: »Wie wirkt der Eisengehalt des Futters auf die Intensität der Gefiederfärbung beim Tukan?«, können wir die folgende Hypothese (genannt ›H1‹) aufstellen:

H1: Es existiert eine Korrelation zwischen Eisengehalt des Futters und Intensität der Gefiederfärbung beim Tukan.

Diese Hypothese kann grundsätzlich wahr oder falsch sein, und das ist auch ihr bestimmendes Merkmal: man kann ihren Wahrheitsgehalt objektiv bestimmen. Wie man das macht, darüber werden wir uns noch unter dem Titel ›Methode‹ Gedanken machen, aber grundsätzlich kann das alles Mögliche beinhalten: Literaturrecherche, Feldforschung, an Zoos verteilte Fragebögen, Futter-Experimente an Tukans oder eine Kombination aus all dem. (Zur Literaturrecherche ist anzumerken, dass hier gemeint ist, die Antwort durch Auswertung irgendwelcher in der Literatur vorkommenden Datenreihen o.Ä. zu finden! Sollte in irgendeinem Paper die Antwort explizit drin stehen, ist die Forschungsfrage ja bereits beantwortet und erfüllt unser erstes Kriterium ›unbeantwortet‹ nicht - und die Arbeit ist keine Forschungsarbeit mehr.)

Was mich persönlich am meisten verwirrt hat, war der Begriff der › Nullhypothese‹ (›H0‹), ist diese doch nichts anderes als die invertierte Hypothese, ›die andere‹ Antwort auf die Forschungsfrage. In unserem Fall also:

H0: Es existiert keine Korrelation zwischen Eisengehalt des Futters und Intensität der Gefiederfärbung beim Tukan.

Das nimmt man ja gern zur Kenntnis, aber es stellt sich die Frage, wozu das nun wieder dienen soll? Die Antwort darauf kommt aus der Statistik:

Mit Nullhypothesen zu arbeiten ergibt Sinn, wenn man Datenreihen auswertet (egal, woher diese stammen): es gibt verschiedene statistische Verfahren (ich poste noch einen Entscheidungsbaum, wann man welches anwendet), um Korrelationen in Daten zu finden.

Und wenn man eine Hypothese aufstellt, ist das erste was man tut zu versuchen, die Korrelation in den Daten (also H1) zu widerlegen und somit die Nullhypothese H0 zu bestätigen! Im Klartext: man versucht wie oben erwähnt mit statistischen Methoden zu zeigen, dass keine Korrelation in den Daten besteht. Wenn das gelingt, kann man - eher: muss man - die Hypothese verwerfen und kann das Ergebnis zusammenschreiben und die Arbeit veröffentlichen. Auch kein Ergebnis ist ein Ergebnis.

Wenn es aber misslingt (was man hofft, weil man ja sonst nicht die Hypothese aufgestellt hätte), kommt mehr Arbeit auf einen zu: man weiß jetzt, dass ein Zusammenhang besteht, aber nicht, wie dieser aussieht: ist die Korrelation positiv, ist sie negativ, wie stark ist sie?

Diese Dinge wollte ich erklärt haben, damit Ihr Euch eine Vorstellung davon machen könnt, was eigentlich ›im Werkzeugkoffer‹ der Wissenschaft vorhanden ist. Und jetzt zum für uns wichtigsten Teil: für eine Bacc-Arbeit sind Hypothese und Nullhypothese gar nicht unbedingt erforderlich. Aber wenn Ihr eine Hypothese aufstellt und in der Arbeit erwähnt, dann sollte sie schon im richtigen Sinne verwendet werden. Sonst kann es allzu leicht passieren, dass die Arbeit am Ende als oberflächlich empfunden wird. (Das gilt besonders, wenn die Kommission diese Begriffe gut kennt.)

Liebe Grüße
Matthias

*) Ich höre jetzt auf, das immer wieder zu erwähnen - es geht Vieles von dem, was ich dazu schreibe, auf meinen eigenen Betreuer Gordon Woodhead (der heißt wirklich so 😉) zurück.

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Letztes Update: 03.12.2021